Historie und Werdegang ASC Segelboot Dehler Varianta

 

Im Januar 2023 hat Urs bei tutti.ch eine Dehler Varianta 65 für CHF 4000.- entdeckt. Ein interessantes Boot, jedoch viel zu teuer. Anfang März wurde der Preis auf CHF 1000.- reduziert. Ein erster Anruf ergab, das Boot ist seit langem in Familienbesitz ist, der langjährige Besitzer ist im Herbst 22 verstorben.

 

Die Dehler Varianta wurde von 1965 bis 1982 gebaut, in 3 Varianten. Die 65 ist die letzte und ausgereifteste Ausführung. Es ist eines der am häufigsten gebauten Segelboote mit ca. 4500 Stk. Es gibt heute noch Klassenvereinigungen und das Boot ist durch sein einfaches Handling immer noch beliebt, ein „geiler“ Klassiker eben.

 

Nebenbei wurde das Boot mal bei Georg erwähnt. Mhh, sagte der, eine Dehler Varianta, sicher und einfach zu segeln, 5 Personen zugelassen , trailerbar... wäre doch was für den ASC. Man könnte so ein Segelboot günstig anbieten, evtl. neue Mitglieder finden, für Leute die keinen Bootsplatz bekommen und auch für mehrtägige Ausfahrten geeignet, das die Kajüte für bis zu 4 Personen Platz bietet. Zudem könnte die Varianta auch in der Jugend z. B. bei stärkeren Winden, genutzt werden und darauf auch die Segelprüfung absolvieren.

 

Nach einem weiteren Telefonat mit der Verkäuferin, der Witwe des Eigners, fuhr Urs Anfang März mal nach Altenrhein um das gute Teil anzuschauen. Sie lag noch im Wasser am Steg, seit zwei Jahren. Soweit äusserlich in gutem Zustand, sicherlich gut gepflegt, alle Polster i. O, Gross, Genua, Fock und Spi, alles dabei. Die Persenning gut, ohne Risse. Ein Yamaha Aussenborder, 2 Takt! 6 PS, auch dabei und zugelassen.

 

Alle Papiere sind vorhanden. Sogar der Messbrief vom 23. Juli 1976 ist dabei. Die Varianta wurde damals am 23. 6. 76 mit dem Namen „Mungge“ an Peter Bertschi in Heerbrugg von Dehler Schweiz in Staad ausgeliefert. Bereits ca. 1980 wurde das Schiff dann von Peter Lutz erworben. Die Varianta blieb dann über 40 Jahre in dessen Besitz. Die Tochter, auch schon in den 40ern, erzählte, dass Sie sich an viele schöne Familienurlaube auf dem Bodensee mit der Varianta erinnern kann. Das Boote war also über 40 Jahr bei zweiten Eigener. Nebst dem originalen Messbrief ist auch noch die alte, originale Dehler Bordapotheke vorhanden.

 

Nach einer Vorstandsitzung wurde einstimmig beschlossen, dass die Varianta für den ASC eine Bereicherung wäre und gekauft wird.

 

Wir sind uns für CHF 800.- handelseinig geworden, inkl. allem Zubehör und dem originalen Dehler Slipwagen, einem Rohrgestell mit 4 festen, nicht lenkbaren Rädchen mit spröden Gummireifen.

 

Georg, Gerlinde und Urs haben sich entschlossen, die Varianta für den ASC herzurichten.

 

Ein bei Edi ausgeliehener Anhänger, nur mit zwei Holzdielen als Rampen und zwei Autos voll Leinen und Flaschenzügen, so ging es dann an einem Samstag los Richtung Altenrhein. Die Besitzerin hat schon alles schön hergerichtet, alle Segel, Polster, Schwimmwesten, Zubehör und Festmacher, alles was zum Boot gehört wurde in Georgs grosser „Zitrone“ verstaut.

 

Im Hafen wurde die Varianta abgedeckt, am 2 Takter Yamaha paar mal kräftig gezogen und schon wurde das Motörchen zum Leben erweckt. Georg „durfte“ das gute Teil vom Fischerhafen runter zum Rheinspitz fahren, weil dort der Slip wohl tiefer (sein) soll. Urs, Gerlinde, die Besitzerin und ihre Tochter fuhren mit dem Jeep und Anhänger in den Rheinspitz runter. Am Slip angekommen, wartete Georg schon. Von weitem rief er „kannst alles vergessen, viel zu wenig Wasser (Pegel Konstanz war 280 cm). Tatsächlich hörte der Slip einen halben Meter im Wasser schon auf. Danach kam Slik und Morast. Urs sagte „macht nichts“ wenn einfach wäre bräuchte es uns ja nicht“ Georg schaute Urs mit grossen Augen an und schüttelte leicht den Kopf (was er wohl dachte...)

 

Müsste ganz einfach gehen, behauptete Urs. Slipwagen mit einem längerem Tau am Auto festbinden, Auto auf dem Slip abstellen, Slipwagen ins Wasser schieben bis der Kahn draufgeschoben werden kann, losfahren, rausziehen, erledigt. Na ja, zumindest so gedacht.

 

Also, Slipwagen ab ins Wasser, Kahn draufgeschoben, Urs mit Fischerstiefeln bis zur Kante im arschkalten Wasser. Perfekt, Kahn sitzt, Nur noch rausfahren. Oder so... Jeep in Geländegang, Slipwagen durch den Morast gezogen, Variant kommt ein Stückchen mit, und bäumt sich auf... Perfekt, bis dahingehend, dass der Kiel viel zu weit hinten und neben der Kielleiste liegt.

 

 

 

 

Also, Handarbeit, Kiel in die Mitte. Nun aber steckt der Slipwagen im Slik geht weder vorwärts noch rückwärts. Lange Gesichter, 3 Frauen die wild drauf los schwätzen wie was zu tun ist.... ok, wie binden den Bug der Variant nach unten fest, damit sie kein „Männchen“ auf dem Slipwagen machen kann. So wird sie zumindest bis auf den Slip gezogen. Um den Kahn nun ganz auf den Slipwagen zu ziehen mussten wir einen „ganz schlauen Trick“ anwenden.

Nämlich, Georgs Zitrone musste auf den Slip, hinter die Variante. Da wurde der Slipwagen an Georgs Zitrone festgebunden. Da es an allen Variantas am Kiel eine Loch hat wurde dort ein selbstgebastelter Schäkel eingehängt. Nun mit dem Jeep von Urs die Variant auf den Slipwagen ziehen, der Slipwagen wurde von der Zitrone ja festgehalten.

 

 

 

 

 

 

 

Die ersten 3 Stunden sind vorbei, die Variant nun auf dem Slipwagen. Die drei anwesenden Frauen staunen und finden das alles ist super gelaufen. Ja, ja, aber der Kahn muss nun ja noch auf und mit dem Slipwagenbock auf den Anhänger drauf. Wegen Platzmangel alles am Slip, und über zwei lausige Holzdielen als Rampen....

 

 

 

 

 

Erste Idee: unser Georg hat schlauerweise einen Flaschenzug dabei. Ein erster Zugversuch mit Flaschenzug scheiterte, zu viel Gewicht, und alles schräg auf dem Slip.

 

 

Also, dann halt folgendermassen: Aus dem Flaschenzug wurde eine doppelte Umlenkrolle gemacht. Am Anhänger vorne festgebunden, das eine Ende am „Spezialschäkel „ am Kiel. Und da Georgs Zitrone immer noch auf dem Slip hinter der Fuhre stand, das andere Ende um die Umlenkrolle, unter dem Slipwagen hindurch an Georgs Zitrone angebunden.

 

 

 

 

 

Das sieht zugegebenermassen etwas abenteuerlich aus. Inzwischen kommt eine Werft mit Traktor und riesigem Hydraulikanhänger und will am belegten Slip eine 36 „ Motoryacht einwassern. Erst mault er rum, wir könnten hier nicht einwassern. Wollen wir auch nicht, wir sind am auswassern. Geht sowieso nicht, behauptet der Typ.

 

 

 

 

Dann schaut er unsere zugegbenerweise abendteuerliche Konstruktion an und sagt, das ihm das gar nicht gefällt. Urs erwidert, es gefalle ihm auch nicht, aber wir haben eben nur was wir haben, das sieht man doch... und wenn er einen Kran dabei habe seien wir sofort bereit, die Varianta zu kranen... hat er aber nicht!

 

 

 

 

 

 

 

Also, jetzt geht’s los. Georgs Zitrone fährt den Slip hinunter, der Slipwagen ohne lenkbare Räder die Holzbohlen hoch, und das steht der Kahn, hoch zu Ross, auch dem Anhänger drauf.  Gerlinde und die Tochter haben noch „gesichert“ ein zweites Seil vom Anhänger um beide Winschen, damit wenns kracht, der Georg samt Zitrone nicht baden geht. Der Werftbesitzer sagt nur kleinlaut, gut gemacht. Wäre der Kahn runter gefallen, hätte jeder gesagt, ist doch klar, wie kann man nur so bescheuert sein, einen Kahn so aufzuladen. Ist er aber nicht, und wir waren die Helden.... Urs hat dann die Besitzerin gefragt, ob sie denn paar Fotos gemacht hätte? Die sagte, nein, ich konnte nicht hin sehen was ihr da macht.

 

 

 

 

 

 

Also, alles festzurren, und ab nach Herrenhof, das war dann easy.

 

Für Sonntag haben sich dann Georg und Urs verabredet um mit zwei Hochdruckreiniger das Unterwasser zu reinigen. Gut zwei Stunden wurde mit zwei Hochdruckreiniger gearbeitet, Muscheln und Bewuchs alles weg. Zum Vorschein kamen jede Menge Blasen. Eine aufgestochen, saure Flüssigkeit spritzt heraus, Osmose. Ja super! Nach einem Kaffee haben wir dann beschlossen, dann machen wir das halt auch noch. Mit dem Jeep und Anhänger gings dann in Urs Werkstatt. Vor dem Ablad dann noch Anhänger und Jeep in Nachbars doch etwas nasser Wiese versenkt- Mit der inzwischen bewährten Zitrone wieder rausgezogen konnte dann der Ablad erfolgen. Mit Flaschenzug und Sicherungsseil ging das nun ganz gut. Gerlinde hat inzwischen den Flurschaden mit Schaufel und Hacke wieder behoben.

 

Bilderserie:

Wir beschlossen, die Varianta erst auf eine Seite zu legen und dann auf die andere um das Unterwasser abzuschleifen und die Osmoseblasen auszuschneiden.

Georg hatte die zündende Idee, den Kahn auf drei Regatta Bojen zu legen. Mit Kran und Aufzug ging das ganz gut.

 

Nun beginnt die grosse Schleif- und Kratzaktion. Unterwasseranstriche von 5 Jahrzehnten abschleifen. Stundenlang wird der alte Lack abgeschabt, geschliffen, Osmose Blasen ausschneiden und freilegen. Das ist der doofste Job an der ganzen Sache. Wir beginnen Backbord vorne.

Gelcoat teilweise weg, alle Osmose Blasen geöffnet. Nun mit Seife neutralisieren, ausspülen und gut trockenen lassen.

Ein Hafentrailer muss auch noch her. Einschlägige Inserate sind ernüchternd, die Teile kosten alle CHF 1500 .- bis 2000.-. Zu teuer. Da hat Urs die Idee, unter den Hafentrailer mit den festen 4 Rädchen eine Achse und Deichsel zu schrauben, paar Führungen anzubringen und fertig ist der Hafentrailer. Das wird mit paar hundert Franken erledigt sein.  Auf diese Weise kann der Trailer dann gut von Hand im Hafen bewegt werden.

Am 24.03.2023 wurde die Varianta auf den ASC zugelassen. Wir haben das Kennzeichen TG 2810 bekommen. Auch der gute 6 PS Yamaha 2 Takter wurde eingetragen.

 

Am Samstag, den 25. März 23 war der komplette Vorstand angetreten um zu schaben, schleifen und schwitzen. Eine Mordsarbeit, die alten Unterwasseranstriche zu entfernen und alle Osmose Blasen auszuschneiden und auskratzen. Am Ruder sind so viele Osmose Blasen dass es aussieht als hätte das Teil Sommersprossen. Alle müssen ausgeschnitten und gespachtelt werden. Aber heute haben wir das Tagesziel erreicht, das komplette Unterwasserschiff ist blank und die Osmose Schadstellen freigelegt.

 

An drei Abenden in der letzten Märzwoche wurde wieder fleissig gearbeitet. Die Varianta wurde wieder aufgerichtet und in den Slipwagen gestellt. Ankerkasten, Schiebeluk, Fenster und div. Beschläge wurden abgeschraubt. Die erste Rumpfseite aufpoliert und im „Salon“ der Boden zur Kileverbolzung geöffnet. Wer hätte es gedacht? Ja, richtig, darunter Wasser gefunden. Halb so wild, absaugen , austrocknen und soweit noch alles ok unter dem Bodenbrett. Das Ruder musste unten neu laminiert werden, ebenso ein Loch in der Bordwand weil eine grosse Osmoseblase so tief war dass nach derer ausschleifen ein Loch übrig blieb.

 

Samstag, 1. April., keine Scherze... Georg und Urs haben das matte und ausgekreidete Gelcoat mit Poliermaschine und viel Schweiss aufpoliert. Erfreulich, der gelbe Rumpf glänzt wie am ersten Tag und hat keinerlei Schrammen oder Macken. Auch das Deck in Hellgrau glänzt teilweise schon wieder. Mit dem Boot wurde sorgfältig umgegangen. An der Pinne und anderen Holzteilen wurden der alte Lack abgekratzt und geschliffen. Danach folgt nebst beizen ein 2 K Lackaufbau in mehreren Schichten.

Die Teak Holzteile wurden gereinigt, geschliffen und neu versiegelt. Die Fenster waren spröde, vergilbt und undicht. Mit Plexiglas wurden neue Scheiben hergestellt und mittels Kopierfräse die genaue Form der alten Scheiben herausgefräst.

Seit Mitte Mai: nachdem die Osmoseschäden am Unterwasserschiff abgetrocknet sind wird mit Epoxy Spachtel und teilwiese mit Glasfaser und Epoxy Harz die Schadstellen repariert. Es folgt nun ein Unterwasseranstrich mit Hempels „VC Tar“ mit 6 Schichten und anschliessender zwei Schichten Anti Fouling „VC 17“ .

 

Danach sind noch Montagearbeiten auf dem Deck geplant und die Abschlussarbeiten.

Der Mast muss noch überholt werden und neue Fallen eingezogen werden.

Das Ziel war, unsere Varianta an unserer diesjährigen Clubregatta am 17. Juni einzuweichen und zu taufen.

 

Bilderserie:

Die Malerei zog sich in die Länge. Da nach jedem Anstrich mehrere Stunden Trockenzeit notwendig waren konnten wir nur einen Anstrich pro Tag erledigen. Die letzten 4 Wochen waren wir jeden Abend in der Werkstatt sowie an den Wochenenden.

Nach Abschluss der Unterwasserarbeiten konnte nun die Varianta wieder aufgerichtet werden. Inzwischen wurden eine Zugdeichsel und eine neue Achse angeliefert. Nun begannen die Anpassarbeiten am Trailer. Der Umbau vom einfachen Slipwagen mit 4 festen, nicht lenkbaren Rädchen in einen Hafentrailer der von Hand bewegt werden kann wird angegangen. Um die Achse und Deichsel zu befestigen mussten Adapterplatten hergestellt werden. Um später das Boot einfach ein- und auswassern zu können mussten noch eine Bugstütze und Führungsrohre geschweisst werden damit das Boot gut in den Slipwagen gleitet. Nach Erledigung der Schlosserarbeiten das ganze noch anstreichen um vor Korrosion zu schützen.

 Mit zwei kleinen Aufzügen gelang es, die Variante hoch genug anzuheben um zuerst das überholte Schwert wieder einzubauen und sie dann auf den Hafentrailer zu setzen. Wir hatten Glück, der Schwerpunkt in Bezug auf die Position zur neuen Achse passte auf anhin.

 

Nun kam Max ins Spiel. Max ist Segelmacher und seit kurzem in Pension. Toll das Max uns

unterstütz und sich um das stehende Gut kümmert.  Er fertigt neue Fallen, kontrolliert und repariert die Segel und überprüft den Mast.

 

Nun folgten noch die Montagearbeiten von Maststütze, Ruder, den neu gestrichenen Schiebeluk und Ankerkastendeckel sowie Montage diverser Einzelteile.

Am Motor wird noch ein Service und Ölwechsel ausgeführt sowie alles durchgeprüft.

Gerlinde reinigt das „Wohnzimmer“ der Varianta noch gründlich. Zum Schluss werden nun alle Polster, losen Teile und Ausrüstung wieder eingeräumt.

 

Mit dem unangepassten Hafentrailer war das aufladen auf einen geeigneten Anhänger dann eine einfache Angelegenheit. Am Freitag, den 16. Juni wurde die Variante in den Hafen nach Altnau transportiert. Nach kleineren Anpassungen konnte sie dann aufgeriggt werden

 

Am Samstag, dem 17. Juni wurde die Varianta dann das erste mal nach der Restauration wieder zu Wasser gelassen. Etliche Leinen und Fallen müssen noch eingestellt werden. Die erste Ausfahrt war dann zur diesjährigen Clubregatta. Die Variante wurde von Georg und Urs gefahren.  Alles gut, der Motor sprang beim ersten mal ziehen an. Lediglich das hochklappen des Motors zum Segeln hat nicht funktioniert. Die Mechanik liess sich nicht entkuppeln. Durch etwas Zug am Motor brach dann das Motorbrettchen, sodass der Motor fast baden gegangen wäre. Zusammen haben wir den Motor dann in das Schiff verbracht. Nach der Regatta sind wir so weit es ging in den Hafen gesegelt und das letzte Stück gepaddelt.

 

Die Varianta wurde ausgewassert und mit Festbeflaggung vor dem Wellenbrecher aufgestellt. Die Bootstaufe wurde durch unsere Bootsgote Josephine vollbracht. Die Varainta wurde auf den Namen «Wellenreiter» getauft.

 

Wir haben es geschafft. In knapp 4 Monaten haben wir die alte Varianta zu neuem Leben erweckt. Ein tolles Gefühl, mit kleinem Budget, grossem Fleiss und gegenseitiger Unterstützung nun ein eigenes Vereinsboot zu besitzen.

 

Ausgestattet mit Gross, Fock, Genua und Spi sowie einem 6 PS Flautenschieber steht der Wellenreiter nun allen Clubmitgliedern des ASC für kleinere und grössere Törns zur Verfügung.